Das Verstehen um die Vielseitigkeit


Vielseitigkeit verstehen als ein buntes Gemälde

 

 

In der zielorientierten Arbeit mit unterschiedlichen Kulturen geht jeder erst einmal davon aus, dass die eigenen Maßstäbe, Voraussetzungen und Vorgehensweisen „DIE RICHTIGEN“ sind.

Für die Gewinnung interkultureller Kompetenzen ist es wichtiger die Kenntnisse darüber zu erlangen, wie es zu den verschiedenen Zuwanderungen, beispielsweise in Deutschland, gekommen ist. So gab es in den 1950 Jahren ein Abkommen zwischen Deutschland und Italien, das Arbeitsmigranten zum Zweck des wirtschaftlichen Aufschwungs nach Deutschland holte. Ebenso das deutsch-türkische Abkommen von 1961 in dem das Anwerbeabkommen beschlossen wurde, wonach türkische Arbeiter nach Deutschland kamen, um ebenfalls für den wirtschaftlichen Aufschwung arbeiteten. Sowohl mit dem Balkankonflikt, als auch aktuell mit den Flüchtlingsströmen aus den arabischen Ländern, gab es Millionen Zuwanderer in Deutschland.

Ob aus gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der verschiedenen Kulturen oder aus Gründen der Flucht in ein anderes Land oder aus Gründen des Bildungsaustausches in einem anderen Land, um hier nur einige zu nennen, wird die interkulturelle Kompetenz ein erforderliches Gut.

 

In jeder Kultur lebt die Vielseitigkeit der Farben und Formen

Dabei gehen hier die Stilrichtungen auseinander und dennoch sind die verschiedenen Richtungen Teil einer Kultur. Geprägt durch die Kulturen der Länder, der Menschen, der Religionen, der Sitten und Gebräuche oder der Mentalitäten.

Mit dem Wissen oder dem tatsächlichem Bewusstsein der Kulturen verdeutlicht sich auch das Verständnis, was Kultur ist.

Wohl in erster Linie das, was seit Generationen gelebt wird, wie z. B. Gebräuche, Regeln, weitergegebene Lebensgewohnheiten in einer Gemeinschaft. Kultur ist das, was sich verfestigt hat, womit die Menschen der unterschiedlichen Länder sich identifizieren und dies verinnerlicht haben. So leben wir jeden Tag bewusst oder unbewusst mit der eigenen Kultur.

 

Mit dem Zusammenleben verschiedener Kulturen ergibt sich der interkulturelle Austausch

Dies bedeutet durch Akzeptanz, Verständnis und die Fähigkeit mit verschiedenen Orientierungen zusammen zu arbeiten, Kompetenzen zu erlangen.

Eine mögliche Zusammenführung der verschiedenen Kulturen ergibt sich in der Kunst.

Aufgrund verschiedener eigener Erfahrungen ergeben sich in der kreativen Welt Möglichkeiten einen offenen Umgang miteinander zu praktizieren. Hier steht zunächst das gemeinsame Interesse kreativer Entfaltung im Vordergrund. Gemeinsam Kreativität zu leben im Umgang mit Farben, Formen und Ideen ermöglicht es kulturelle Brücken zu bauen.

Unabdingbar sind hier „Schubladenzuordnungen“, so genannte stereotypische Muster in denkender und handelnder Weise abzulegen und abzubauen.

Die kreative Zusammenarbeit in einer kulturell gemischten Gruppe, eröffnet Jedem eine bunte Welt der Neuanschauung. Hier werden u. a. verschiedene Stilrichtungen der Länder, wie Architektur, Farbzusammenstellungen oder Proportionen bildlich ausgedrückt. Erlebte Gefühle werden nonverbal dargestellt und somit auch teilweise unter dem Aspekt „Erlebtes zu verarbeiten“ transportiert.

In der kreativen Gestaltung geht es nicht darum, den alltagsbedingten Anforderungen Folge zu leisten. Vielmehr ergibt sich ein breitgefächertes Spektrum an kultureller Annäherung und gegenseitigem Verständnis verschiedener Kulturen.

Aus eigenen Erfahrungen heraus kann ich sagen, dass es kein Patentrezept für das Erlangen einer interkulturellen Kompetenz gibt. So wie in einem Gemälde, einer Skulptur, eines Bauwerkes oder einer kreativen Arbeit, geprägt durch die eigene Kultur, schaffen Bildhauer, Künstler, Architekten, kreative Arbeiten unterschiedliche Formen und Ausdrücke ihrer Arbeiten. Zum Ausdruck gebracht durch das, was in der jeweiligen kulturellen Orientierung gelebt wird. In der Kunst sind die Grenzen nicht vorhanden, nicht relevant oder von Bedeutung. Zwar können hier die geschmacklichen Richtungen auseinander gehen, doch das ist unausweichlich und richtig.

Die verschiedenen Kulturen legen jeweils andere Schwerpunkte der Notwendigkeiten, die es wiederum so zu erklären gilt, dass alle Teilnehmer erfolgreich dieses Kunstprojekt durchführen können. So haben z. B. verschiedene Orientierungen unterschiedliche Handhabungen der tatsächlichen Anwesenheitspflichten, andere Auffassungen der gemeinsamen Tätigkeiten währen des Kurses. Regeln die in einer, zwar kreativ ungezwungenen Zusammenarbeit dennoch unausweichlich sind zu verinnerlichen.

Regeln oder ungeschriebene Gesetze können aber erst dann vermittelt werden, wenn durch Auseinandersetzungen mit und das Verstehen der anderen Orientierungen ein Verständnis aufgebaut wird. In meiner kreativen Zusammenarbeit mit Migranten geht es natürlich um die Freude an der Kunst.

Jedoch entstehen bei der Planung eines Kunstkurses erst einmal kommunikative Hürden, die mit Geduld und Verständnis überwunden werden müssen. So ist es in einem Projekt beispielsweise wichtig, dass alle Kursteilnehmer verstehen, welche Voraussetzungen in dem Kurs wichtig sind.

Eine weitere und sehr wichtige Tatsache ist, dass gerade die Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen ein besonderes Feingefühl voraussetzt. Einige Kinder und Jugendlichen mit einer Fluchtgeschichte können traumatische Erlebnisse haben, durch erlebte Situationen in der Vergangenheit, durch Kriegserlebnisse, durch die Erlebnisse, die sie auf der Flucht machen mussten. Hier bedarf es einer besonderen Sensibilisierung. Nicht nur diese Umstände, sondern auch unterschiedliche Entwicklungsstadien der Kinder und Jugendlichen wie vorpubertäre Phasen oder vollpubertäre Phasen, erfordern eine differenzierte Sichtweise meiner Person als Kursgeberin. Durch die Möglichkeiten, dass sich Kinder und Jugendliche in einem breiten Rahmen der Kreativität mit den eigenen Gefühlen und den Erlebnissen auseinandersetzen können, ist ein großer Schritt der eigenen Wahrnehmung der Kinder und Jugendlichen gegeben.

Mit dem Anstreben der Integrationen, können sich auch aus meinen Beobachtungen andere Schwierigkeiten entwickeln. So ist es oft gegeben, dass sich Kinder und Jugendlichen oftmals komplett mit der „NEUEN KULTUR“ identifizieren möchten. Doch werden häufig in der Gemeinschaft der Familie die traditionell geprägten Kulturen praktiziert. Für die Kinder und Jugendlichen bedeutet dies oft einen „kulturellen Spagat“ zu machen. Zum einen in der sozialen Umgebung wie Schule, Kindergarten, Kunsttreff, Sportvereinen anzukommen und zum anderen in der familiären Umgebung respektiert zu werden. Und außerdem mit Verlustängsten umzugehen. Diese sind sehr häufig geprägt durch die familiäre Gemeinschaft. Angst, Zweifel, Unsicherheit und natürlich der Verlust der gewohnten Umgebung (Heimat) begründen dies, beispielsweise Schwierigkeiten sich mit der neuen Kultur zu befassen und etwas anzunehmen.

Häufig sind die kulturellen Unterschiede so sehr stark unterschiedlich, dass es ihnen schwer fällt einen eigenen Standpunkt zu entwickeln. Kinder und Jugendliche reagieren mit emotionalen Signalen und fühlen sich oft verpflichtet, sich für nur eine Kultur zu entscheiden. Sie möchten Partei ergreifen oder einer Gruppierung zugehören. Das ist aber aufgrund der gelebten unterschiedlichen Kulturen sehr schwierig. Um so wichtiger ist es, die Kinder und Jugendlichen hier in ihren Empfindungen abzuholen.

Im Gegensatz zu den täglichen Herausforderungen und Anforderungen, ob nun die Sprache gelernt oder der berufliche Werdegang gefunden werden muss, haben gerade Kinder und Jugendliche mit einem Migrationshintergrund in einem Kunstprojekt viele Möglichkeiten, sich mit der eigenen Person auseinander setzen. Aber auch auf lockere und zum Teil spielerische Art soziale Kontakte und Freundschaften zu knüpfen sowie durch eine fertig gestellte kreative Arbeit, Anerkennung und Zufriedenheit zu erlangen.

Die eigene Motivation der Kinder und Jugendlichen sich in der für sie „neuen Umgebung“ zurecht zu finden und ihren Platz in der Gesellschaft einzunehmen, fällt somit leichter. Schulische oder persönliche Entwicklungen werden mit der gemeinsamen kreativen Arbeit gefördert und neue Kompetenzen wachsen.

Um in diesem Bereich kulturelle Kompetenz zu erlangen, bedarf es einem ständigen „AN SICH ARBEITEN“.

 

von Corina Daglar