Interkulturelle Kommunikation in China und Japan
Heute geht es um Missverständnisse in der Kommunikation zwischen Deutschen, welche die direkte Kommunikation gewöhnt sind, und Chinesen und Japanern, welche die indirekte Kommunikation verwenden. Anhand von alltäglichen Beispielen verrate ich Dir, wie Du bei der Kommunikation in China und Japan dennoch interkulturell kompetent handeln kannst.
Viel Spaß und wertvolle Erkenntnisse beim Anhören
Den interkulturellen Podcast „Deutschland und andere Länder“ gibt es auch unter:
https://itunes.apple.com/us/podcast/id1366874160
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Zusätzlich gibt es hier die Folge zum Nachlesen:
Deutschland und andere Länder mit Anna Lassonczyk – Der erste und einzige Podcast in Deutschland, Österreich und der Schweiz, der sich mit interkultureller Kommunikation beschäftigt, spannende Impulse über fremde Länder liefert, entfernte Kulturen näherbringt und erfolgreiche Menschen mit internationaler Erfahrung interviewt.
Anknüpfend an die gestrige Einführung in die vier Seiten einer Nachricht und in den Unterschied zwischen der direkten und indirekten Kommunikation, geht es heute unter anderem um das folgende Beispiel: Eine Deutsche bietet ihrer chinesischen Freundin Tee an. Diese antwortet: „Nein, danke ich möchte keinen Tee“. Aber möchte sie wirklich keinen Tee? Oder war das einfach nur höflich gemeint? Daraufhin fragt die Deutsche, ob sie einen Kaffee möchte oder etwas anderes. Wieder hört sie ein „nein“. Was hört die Deutsche mit ihren vier verschiedenen Ohren heraus? Rein sachlich lautet die Aussage: Die Chinesin möchte keinen Tee. Auf der Appellseite hört das deutsche Ohr: „Bemühe Dich nicht“. Dem Beziehungsohr zufolge meint sie: „Danke, für das Angebot“, während das Selbstoffenbarungsohr wahrnimmt, dass die Chinesin keine Umstände machen möchte. Was meint aber die Chinesin wirklich? Sachlich gesehen, ist die Ablehnung ein Teil des Höflichkeitsrituals, ein solches Verhalten gehört sich in China so. Es ist genauso, wenn wir jemanden auf der Straße fragen: „Wissen Sie, wie spät es ist?“ Auf diese Fragen wollen wir kein „ja“ oder „nein“ hören, sondern die Uhrzeit. Jeder weiß, was wirklich gemeint ist. Auf der Appellseite sagt die Chinesin: „Wenn Dein Angebot ernst gemeint ist, bring mir den Tee“. Ihre Selbstoffenbarung lautet: „Ich möchte keine Umstände machen“.
Gehen wir auf eine weitere Situation aus dem Alltag ein. Ein Japaner und ein Deutscher sind Nachbarn in einem Haus. Der Deutsche übt häufig Klavier. Dadurch fühlt sich der Japaner gestört. Als er seinen deutschen Nachbarn im Treppenhaus begegnet, begrüßt ihn der Japaner und äußert dabei: „Sie üben fleißig“. Daraufhin der Deutsche: „Ja, ich nehme sogar Klavierstunden bei einem Musiklehrer“. Was haben die deutschen Ohren hier herausgehört? Auf inhaltlicher Ebene heißt es: Es wird auf dem Klavier fleißig geübt. Die Selbstkundgabe ist: „Ihr Klavierspiel gefällt mir“. Der Appell lautet: „Spielen Sie ruhig öfter“. Doch was meint der Japaner wirklich? Die Bedeutung in der inhaltlichen Dimension bleibt gleich: Es wird fleißig auf dem Klavier geübt. Die Selbstkundgabe hier lautet jedoch: „Ihr Klavierspiel stört mich“. Der Appell an den Deutschen ist: „Spielen Sie seltener oder leiser“. Weil wir in Deutschland die direkte Kommunikation gewöhnt sind, ist der deutsche Nachbar davon ausgegangen, dass ihm der Japaner einfach sagen würde, wenn ihn das Klavierspiel stört. Japaner hingegen kommunizieren indirekt. Durch seine Anmerkung wollte er also sagen, dass ihm sein Klavierspiel nicht gefällt. In Japan wäre es unhöflich, so etwas direkt zu äußern. Die japanischen Ohren würden sofort heraushören, dass der Grund für den Satz des Japaners der ist, dass der Deutsche entweder leiser, seltener, zu anderen Zeiten oder an einem anderen Ort spielen sollte.
Nun ein anderes Beispiel, dieses Mal aus dem Geschäftsleben. Ein älterer Japaner sendet eine E-Mail an seinen deutschen Geschäftspartner, den er seit einiger Zeit kennt. Nach den ersten Worten der Begrüßung schreibt er, dass er Streit mit seiner Ehefrau habe und führt es kurz aus. Anschließend widmet er sich geschäftlichen Fragen und beendet die E-Mail mit höflichen Worten. Wie würdest Du darauf reagieren? In dem geschilderten Fall ist der Deutsche von dem Vertrauen, welches der Japaner entgegen bringt, berührt und zugleich ein wenig verwirrt. Es müsse sich um eine ernste Ehekrise handeln, folgert er, weil Japaner sonst so zurückhaltend seien. In seiner Antwortmail schreibt er mit ausdrücklichen Bezug auf die Ehekriese, dass es ihm sehr leid tue. Mit einem Rat versucht er dem Japaner Mitgefühl und eine gewisse Hilfe zu vermitteln. Wie kommt das beim Japaner an? Auf der rein sachlichen Ebene hat er den Deutschen informiert, dass es Streit mit der Ehefrau gab. Was wollte der Japaner auf der Beziehungsebene vermitteln? Er denkt sich: „Ich mache mich klein und zeige Dir dadurch meinen Respekt. Ich zeige Dir, dass ich Dir vertrauen kann“. Was hören die deutschen Ohren? Auf der sachlichen Ebene bleibt die Nachricht gleich: Es gab Streit mit der Ehefrau. Auf der Appellseite interpretiert der Deutsche: „Helfen Sie mir“. Die Selbstkundgabe lautet: „Ich bin in einer ernsten Ehekrise und bin ratlos“. Auf der Beziehungsebene wird gehört, dass der Japaner dem Deutschen vertraut. Daraufhin antwortet der Deutsche, dass es ihm leid tue. Er versucht ihm zu helfen. Auf der Ebene der Selbstkundgabe zeigt er ihm: „Ich fühle mit Ihnen“. Auf der Appellseite weist er den Japaner an, was zu tun ist. Auf der Beziehungsebene sagt er: „Sie Ärmster. Sie sind mir nicht gleichgültig“. Der Japaner interpretiert die Antwort des Deutschen jedoch anders. Seine Ohren hören die folgende Selbstkundgabe des Deutschen: „Ich bin Ihnen überlegen“. Auf der Beziehungsebene teilt er mit: „Ich erweise Ihnen keinen Respekt. Ich behandele Sie von oben herab, indem ich schreibe, was zu tun ist“. Was hätte der Deutsche besser in seiner Kommunikation mit dem Japaner machen können? Wäre der Deutsche interkulturell kompetent gewesen, hätte er geschrieben: „Ich habe manchmal ebenfalls Streit mit meiner Frau“. Auf der Sachebene würde er dann schreiben, dass es ab und zu Streit mit seiner Ehefrau gibt. Viel wichtiger ist aber, was er auf der Beziehungsebene kommuniziert. Durch diese Aussage teilt er nämlich mit: „Ich mache mich klein und zeige dadurch meinen Respekt“. Das ist auch das, was der Japaner heraushören würde. Er beabsichtigt eine vertrauensvolle, gleichberechtigte und respektvolle Kommunikation auf beiden Seiten.
Während ein Deutscher in geschäftlichen oder ähnlichen Kontexten kleinere persönliche Probleme kaum erwähnen würde, da diese zur Privatsphäre gehören, würde er paradoxerweise bei schwereren Problemen durchaus Andeutungen machen wie beispielsweise bei Terminproblemen. Umgekehrt würde sein japanischer Partner kleinere Probleme als Aufhänger für die Bekräftigung ihrer sozialen Beziehung gebrauchen, sich jedoch bei tatsächlich ernsthaften Problemen nichts anmerken lassen. Deswegen ist es sehr wichtig bei einer Nachricht, alle vier Ebenen herauszuhören und nicht nur auf den sachlichen Informationsinhalt bei der Kommunikation mit ausländischen Geschäftspartnern zu achten.
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